AHV 21: Soziale Gerechtigkeit sieht anders aus!
Kolumne «Südostschweiz», 19. August 2022, von Regula N. Keller, Präsidentin der Grünen des Kantons Glarus
50’000 Unterschriften braucht es, um einen Entscheid des Parlamentes vor das Volk zu bringen; beim Referendum gegen die AHV 21 kamen diesen Frühling in kürzester Zeit 124’337 beglaubigte Unterschriften zusammen, eine deutliche Zahl der Unzufriedenheit mit der Vorlage! Warum diese Unzufriedenheit berechtigt ist und warum es am 26. September zwei Nein zu den AHV-Vorlagen braucht, möchte ich im Folgenden aufzeigen.
Frauen erhalten in der Schweiz durchschnittlich über alle Säulen hinweg ein Drittel weniger Rente als Männer. In diesem Rentenunterschied von heute zeigt sich die ungleiche Verteilung der Einkommen von gestern. Der springende Punkt ist, wie diese ungleiche Verteilung der Einkommen zustande kommt. Erstens unterbrechen Mütter ihre Erwerbsarbeit häufiger – oder arbeiten mehr Teilzeit. Beides in erster Linie aus familiären Gründen. Sie übernehmen die Haus- und Familienarbeit und investieren damit ihre Arbeit in die nächste Generation. Vielen entsteht dadurch eine grosse und nicht mehr zu schliessende Einkommenslücke.
Zweitens trägt der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen zu den grossen Geschlechterdifferenzen bei den Rentenleistungen bei. Sei das, weil «klassische Frauenberufe» oftmals im Tieflohnbereich liegen oder wegen den Lohnlücken selbst bei vergleichbaren Anstellungen tiefere Löhne resultieren. Die Einkommenslücken wirken sich direkt auf die Altersvorsorge aus. So erhält eine Frau durchschnittlich jedes Jahr fast 20’000 Franken weniger Rente als Männer. Das sind 1’600 Franken pro Monat!
Die AHV-21 nimmt sich jedoch der Frage des sogenannten «Gender-Gap» gar nicht an. Und dies obwohl alleine die Lohndiskriminierung von Frauen zu jährlichen Mindereinnahmen bei der AHV in Höhe von 825 Millionen führt! Dazu kommt noch, dass ungefähr ein Drittel aller Kinder in der Schweiz von den Grosseltern betreut werden. Den Herkulesanteil leisten dabei die Grossmütter – und damit leisten Frauen auch im hohen Alter diverse Stunden unbezahlte Arbeit zugunsten der Gesellschaft.
Mit der AHV-21 wird einseitig auf Kosten der Frauen gespart. Von unseren Frauen, Müttern und Grossmüttern zu erwarten, dass sie jetzt auch noch länger arbeiten, hat nichts mit sozialer Gerechtigkeit zu tun und bestraft diejenigen, die heute schon für das Wohl künftiger Generationen finanzielle Einbussen in Kauf nehmen und unzählige Stunden an freiwilliger Arbeit leisten. Dass es längerfristig eine Reform der AHV braucht, ist unbestritten. Ab 2025 werden die Ausgaben die Einnahmen übertreffen, das Umlageergebnis somit negativ sein; bis 2029 kann dies jedoch durch das beträchtliche Vermögen der AHV aufgefangen werden. Nutzen wir diese Zeit, um eine AHV- resp. Rentenvorlage auszuarbeiten, die wirkliche soziale Gerechtigkeit bringt und den Gender-Gab bei den Renten ernsthaft angeht.
Sagen wir Ja zu echter sozialer Gerechtigkeit und deshalb Nein zum geplanten AHV-Abbau!