Die Politik-verdrossenheit
von Ann-Kristin Peterson Landrätin der Grünen
Schon wieder flattern Abstimmungsunterlagen ins Haus. Und schon wieder muss Frau und Mann zu vielen Themen Stellung nehmen. Welch ein Aufwand! Kleiner Scherz. Bezüglich Stimmbeteiligung gehört unser Kanton jeweils zu den Schlusslichtern. Warum nehmen so wenig Glarnerinnen und Glarner an den kommunalen, kantonalen und nationalen Abstimmungen teil? Eine Frage, die jetzt sogar von Experten unter die Lupe genommen wird.
«Warum nehmen nur knapp fünf Prozent an kommunalen Abstimmungen teil? Vielleicht liegt es an teilweise extrem langen Gemeindeversammlungen»
Weltweit kämpfen verschiedene Nationalitäten beziehungsweise Geschlechter für demokratische Rechte. Es gibt viele Länder, wo eine Selbstverständlichkeit wie diese leider nicht eingeräumt wird. Es ist ein Privileg, in einem Land Stimmbürger oder Stimmbürgerin zu sein, wo die Demokratie gelebt wird. Wir haben zu enorm vielen Vorlagen auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene die Möglichkeit, unsere Meinung kundzutun. Das war meine Motivation, die Schweizer Staatsbürgerschaft zu beantragen. Ich wollte in dieser direkten Demokratie mitbestimmen. Vor allem nachdem ich als Gast an einer Landsgemeinde teilgenommen hatte, wo mich das Mindern und Mehren total beeindruckte.
Warum nehmen nur knapp fünf Prozent an kommunalen oder kantonalen Abstimmungen teil? Möglicherweise liegt es an den teilweise extrem langen Gemeindeversammlungen, die erst nach Mitternacht fertig werden. Oder ärgert die Betroffenheitspolitik?
Es müssten unbedingt neue Formen gefunden werden. Dies könnte zum Beispiel eine Art Bürgerkonvent von zufällig ausgewählten Einwohnern und Einwohnerinnen sein, welche nach Inputs von Experten Lösungen zu einem speziellen Thema erarbeiten. Die Lösungsvorschläge werden anschliessend von den politischen Gremien behandelt und entschieden. Auf Stufe Gemeinde wäre dies Gemeinderat, -Parlament und -Versammlung. Im Ausland hat man mit diesem Vorgehen gute Erfahrungen gemacht. Andere Möglichkeiten wären hybride Formen bei kommunalen und kantonalen Abstimmungen beziehungsweise Wahlen oder eine konsultative Landsgemeinde, deren Entscheidungen erst an der Urne rechtskräftig werden. Dazu braucht es Mut und Innovation, damit die Politik als Ganzes interessanter und effizienter werden kann.
Nun, die Umfrage bei 9000 Haushalten soll Licht ins Dunkel bringen. Hoffentlich ist wenigstens dort die Teilnahmequote genügend hoch!