2007 stimmte die Landsgemeinde dem Stimmrechtsalter 16 zu. Damit hatten dann ungefähr zusätzliche 2 Prozent der Bevölkerung das Recht, am demokratischen Prozess auf kantonaler und kommunaler Ebene zu partizipieren. Ich gehöre zu jenen Jahrgängen, die davon profitieren durften – und stehe seit meinem 16. Geburtstag jedes Jahr auf dem Ring.

Der Kanton Glarus ist auch heute noch der einzige Kanton, der sich zu diesem Schritt entschieden hat. Nirgends sonst verfügen junge Menschen über solch umfassende direktdemokratische Rechte. Viele Glarnerinnen und Glarner verweisen stolz darauf – und auch ich erzähle gerne davon, wenn ich über meinen Heimatkanton berichte.

15 Jahre später verhindert der Landrat des Kantons Glarus mit knapper Mehrheit, dass die Stimmberechtigten überhaupt die Möglichkeit erhalten, an einer Landsgemeinde selbst darüber abzustimmen, ob man den Gemeinden die gesetzliche Freiheit gewähren soll, ihre demokratischen Rechte noch mehr auszuweiten. Damit hat ein Rat, bestehend aus 60 Personen, über die demokratischen Rechte von – sage und schreibe – einem Viertel, also 25 Prozent, der Glarner Bevölkerung beschlossen. Die Rede ist hier von der Debatte zur regierungsrätlichen Legislaturplanung 2023-2026 und dem darin enthaltenen Ziel, den Gemeinden die Möglichkeit zu gewähren, autonom darüber zu befinden, ob sie ein Stimmrecht für Personen ohne Schweizer Pass auf kommunaler Ebene einführen möchten.

Von einem Kanton, der sich die gelebte Demokratie auf die Fahne schreibt, wünsche ich mir etwas mehr Mut. Und etwas mehr Demokratie. Für alle.
Eva-Maria Kreis, Vize-Präsidentin GRÜNE des Kantons Glarus, Gemeinderätin

Durch den Entscheid des Landrates wurde eine wichtige Diskussion in der Bevölkerung sowie ein breiter angelegter demokratischer Beschluss über dieses Thema unterbunden. Und damit die Möglichkeit zur politischen Partizipation von ca. 10’000 Personen, ohne mit der Wimper zu zucken, wieder von der politischen Agenda gestrichen. Darüber müssen wir reden.

Wer den vorgebrachten Argumenten der Gegnerinnen und Gegner aufmerksam gelauscht hat, konnte sich leicht um ungefähr 50 Jahre in die Vergangenheit versetzt fühlen. Dieselben alten Argumente, die damals gegen das Frauenstimm- und -wahlrecht vorgebracht wurden, sind Anfangs Dezember 2022 im Rathaus wieder hochgekocht worden. Es war die Rede von Rechten und Pflichten. Davon, dass Personen ohne Schweizer Pass keinen Militärdienst leisteten. Das gilt auch für die Frauen. Deshalb hat man bereits vor mehr als einem halben Jahrhundert eingesehen, dass die Kopplung zwischen Stimmrecht und Militärdienst keinen Sinn ergibt. Denn der Zugang zum Prozess, in welchem wir die Grundregeln unseres Zusammenlebens als Gemeinwesen festlegen, kann und darf nicht davon abhängen, ob man ein paar Wochen in der Rekrutenschule verbracht hat. Und schon gar nicht soll ein Entscheid dieser Tragweite bereits in der Enge des Ratsgebäudes abgeklemmt werden, sodass er gar nicht erst vor die Stimmbevölkerung auf dem Ring kommt.

Von einem Kanton, der sich die gelebte Demokratie auf die Fahne schreibt, wünsche ich mir etwas mehr Mut. Und etwas mehr Demokratie. Für alle.

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