Polittalk der Grünen für die Ausgabe «Südostschweiz» vom 18.6.2021
Von Regula N. Keller
Diese Woche konnte ich mein Velo zum Service bringen – im zweiten Anlauf. Beim ersten Versuch im Frühling durfte ich nämlich feststellen, dass die Zeiten vorbei sind, in denen spontan das Velo beim Velomechaniker abgegeben werden konnte –  coronabedingt werden die Velogeschäfte von Kundschaft belagert und zumindest bei meinem Velohändler muss man für Reparaturen einen Termin vereinbaren, fast so wie beim Zahnarzt.
Ich freue mich sehr für die Velohändler und Velomechanikerinnen, dass deren Geschäft boomt – und ich freue mich als Grüne, dass das Velofahren boomt. Natürlich immer verbunden mit der Hoffnung, dass das Velo auch anstelle eines anderen Verkehrsträgers genutzt wird, sei es im Alltag für den Weg zur Arbeit, zum Einkaufen oder eben als «Bike» in der Freizeit und im Sport.
Bei aller Freude über den Veloboom schleicht sich aber auch Unzufriedenheit ein:  Die Situation für VelofahrerInnen und BikerInnen genauso wie für andere, die zum sogenannten «Langsamverkehr» gezählt werden, muss sich im Glarnerland verbessern. Es braucht eine bessere Infrastruktur, die insbesondere mehr Sicherheit bietet.
Als ein (negatives) Beispiel sei hier der kürzlich kommunizierte Entscheid des Kantons genannt, bei der Ortsdurchfahrt Glarus vorerst mal alles beim Alten zu lassen, mit Tempo 50, den Fussgängerstreifen und dem stehenden Verkehr, den Parkplätzen. Ich bin zur Arbeit und zum Einkaufen meist mit dem Velo in Glarus unterwegs – und insbesondere auf der Hauptstrasse immer auch mit einem Bammel:  Öffnet sich plötzlich eine Autotür, weil der Parkierer mich Velofahrerin übersehen hat? Werde ich als Langsamfahrerin trotz Gegenverkehr auf der Strasse von einem Auto überholt und an den Rand abgedrängt? Aus meiner Sicht hat der Kanton hier klar eine Chance vertan, in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Glarus für den Hauptort zeitnah eine innovative Lösung umzusetzen, die alle VerkehrsteilnehmerInnen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und Geschwindigkeiten angemessen berücksichtigt.
Ich hoffe darum umso mehr, dass in Zukunft die Chancen besser genutzt werden und den Lippenbekenntnissen zur Förderung des Langsamverkehrs auch Taten folgen. Möglichkeiten dazu bieten sich.
So behandelt der Landrat kommenden Mittwoch eine breit abgestützte Motion, die für den Kanton Glarus eine Velo-/Mountainbike-Strategie fordert.  Etwas, das in anderen Kantonen längst Realität ist. Eigentlich geht es ja um zwei Strategien: Eine Velostrategie, die insbesondere den Velo-Berufsverkehr berücksichtigt und eine Mountainbike-Strategie für den Biker-Freizeitverkehr. In beiden Bereichen herrscht Handlungsbedarf und es muss auch in beiden Bereichen um Sicherheit gehen.
Im Herbst steht im Landrat der Memorialsantrag «Slow Sundays im Klöntal», eingereicht von den Jungen Grünen / Grünen des Kantons Glarus, auf der Traktandenliste. Auch dieser Antrag zielt auf die Förderung des Langsamverkehrs ab, als Teil eines nachhaltigeren Tourismus.  Der Plan: An acht Sonntagen im Jahr haben Velos, Bikes und FussgängerInnen in Richtung Klöntal Vorfahrt resp. Vortritt. Erholungssuchenden, die zu Fuss oder mit dem Velo anreisen, soll an diesen Sonntagen ein Klöntal ohne störenden und gefährlichen Autoverkehr ermöglicht werden.
Corona hat viele Menschen (wieder) aufs Velo gebracht: Nutzen wir diesen Aufbruch, setzen wir Anreize für die Umlagerung und geben wir diesem gewichtiger gewordenen Verkehrsmittel mehr Raum!
Regula N. Keller ist Landrätin
und Co-Präsidentin der Grünen Kanton Glarus Glarus