von Regula N. Keller, Landrätin der Grünen / Co-Präsidentin Grüne des Kantons Glarus / Präsidentin Grüne der Gemeinde
Ich gebe am Anfang meiner Kolumne das Wort einem „alten Glarner“, nämlich Fridolin Schuler, einem Pionier in Sachen Arbeiterschutz und späterem Eidgenössischen Fabrikinspektor. In seinen „Erinnerungen eines Siebenzigjährigen“ von 1903 findet sich  folgende Episode: Ein ganz hervorragender Industrieller hatte mich zur Rede gestellt wegen meiner Tätigkeit für den Elfstundentag und mir erklärt, ich habe die schwere Schuld auf dem Gewissen, dass die Glarner Industrie ruiniert werde. Wer je noch eine Fabrik auf Glarner Gebiet baue, gehöre ins Irrenhaus. Ein Jahr nachher begegneten wir uns an der gleichen Stelle. Er betrachtete den Fortgang einer Fabrikbaute. „So, so, Sie bauen“, bemerkte ich, ohne etwas Weiteres beizufügen. Wir beide konnten das Lachen nicht verhalten. In gleicher Weise ging es auch an anderen Orten.
Gerne lasse ich Fridolin Schuler in meinem Geschichtsunterricht zu Wort kommen, wenn es um die Industrialisierung und das Glarner Fabrikgesetz von 1864 geht, eine Glarner „Pionierleistung“. Die Worte von Fridolin Schuler passen meines Erachtens aber auch gut in die momentane Diskussion rund um die Konzernverantwortungsinitiative. In Leserbriefen und Stellungnahmen der Gegnerschaft der Initiative wird nämlich vorgebracht, dass diese Initiative die Schweizer Wirtschaft und ihre Unternehmen generell bedrohe, ihre Konkurrenzfähigkeit schwäche, das Wirtschaften im Ausland teilweise verunmögliche und dazu führen werde, dass Konzerne die Schweiz verlassen werden.  Diese Argumente erinnern mich an den oben erwähnten „hervorragenden Industriellen“, der bei Annahme des Elfstundentages und somit besserer  Arbeitsbedingungen das Ende der Glarner Industrie prophezeite.  Das Gegenteil war jedoch der Fall und macht(e) deutlich: Erfolgreiches Wirtschaften und dabei den Menschen und der Umwelt Sorge tragen, geht.
Genau dieses sorgfältige Wirtschaften will die Konzernverantwortungsinitiative, über die am 29. November abgestimmt wird, stärken: Schweizer Unternehmen sollen auch im Ausland die international anerkannten Menschenrechte sowie internationale Standards respektieren.  Grossunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen, die in Risikobranchen tätig sind, werden zu einer Sorgfaltsprüfung verpflichtet.  Und kommt es im Ausland zu Schäden, dann können die Unternehmen, die die Kontrolle darüber haben, wie vor Ort gearbeitet wird, zur Verantwortung gezogen werden.  Haben diese Unternehmen jedoch ihre Sorgfaltspflicht erfüllt, haben sie auch nichts zu befürchten.
Der Gegenvorschlag sieht zwar auch eine Sorgfaltsprüfung vor, aber belässt es bei der Berichterstattung und somit der Selbstkontrolle.  Bei allem Respekt –  von einer Hochglanzbroschüre des Konzerns hat eine geschädigte Arbeiterin in Afrika nichts und der Konzern wird nicht in die Verantwortung genommen.
Sehen wir doch im sorgfältigen Wirtschaften von Schweizer Unternehmen weltweit eine Chance, ein „Gütesiegel“.  Die Schweiz könnte mit der Annahme der Initiative eine Pionierrolle einnehmen in wirtschaftsethischen Fragen.  Sagen wir darum mit gutem Gewissen Ja zur Konzernverantwortungsinitiative.