Kolumne «Südostschweiz», 30. September 2022, von Leana Meier, Vorstandsmitglied und Sekretärin Grüne Kanton Glarus

Junge Leute, die sich für das politische Geschehen interessieren, sind längst keine Seltenheit mehr. Eine Meinung zu fast allem zu haben, wird mehr und mehr Mainstream. Doch warum lohnt es sich gerade im Glarnerland politisch aktiv zu sein?

Das beste Beispiel für “Demokratie muss gelebt werden” findet jeden ersten Sonntag im Mai auf dem Zaunplatz statt. Die Landsgemeinde ist mehr als nur ein Anlass zum Abstimmen und Wählen – es ist ein gemeinschaftliches Zusammenkommen. 

Aussergewöhnlich daran ist, dass alle Stimmberechtigten die Möglichkeit haben, einen eigenen Memorialsantrag zuhanden der Landsgemeinde einzureichen – und das ohne auch nur eine Unterschrift gesammelt zu haben. Wenn dann darüber abgestimmt wird, kriegen wir nicht Hochrechnungen und anschliessend eine lapidare Prozentzahl als Ergebnis. Nein, man erlebt den Moment, in dem der eigene Vorschlag Gültigkeit gewinnt, live mit. 

Mit dem Stimmrechtsalter 16 haben junge Menschen an der Landsgemeinde so weitreichende politische Rechte wie sonst nirgends in der Schweiz. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, denn Mitspracherecht fördert das Interesse. Und uns hat es zu interessieren – schliesslich werden Entscheide, die heute gefällt werden, junge Leute am längsten betreffen. 

Mit dem „Leben der Demokratie” ist es jedoch nicht getan. Gelebt werden muss auch höhere Repräsentanz. Da reicht es nicht, schöne Traditionen zu pflegen, sondern wir müssen sie auch weiterentwickeln und zugänglicher machen.
Leana Meier, Vorstandsmitglied und Sekretärin Grüne Kanton Glarus

Mit dem „Leben der Demokratie” ist es jedoch nicht getan. Gelebt werden muss auch höhere Repräsentanz. Da reicht es nicht, schöne Traditionen zu pflegen, sondern wir müssen sie auch weiterentwickeln und zugänglicher machen.

Gerade die Zugänglichkeit zur Demokratie im Glarnerland lässt an so einigen Stellen noch deutlich zu wünschen übrig. Das bildet sich unter anderem ab an der tiefen Stimmbeteiligung auf den verschiedensten Ebenen; sei das auf dem Ring (durchschnittlich um die 10%!) oder an den Gemeindeversammlungen (rund 5%). Die Hürden zur Teilnahme könnten und sollten deutlich tiefer gelegt werden. So werden bis anhin Abstimmungstexte auf kantonaler wie kommunaler Ebene lediglich in ellenlanger Form und schwer verständlicher Sprache publiziert. Hier ist noch viel Luft nach oben für niederschwellige Angebote. 

Auch für Menschen mit Behinderungen könnten sowohl Gemeindeversammlungen wie auch die Landsgemeinde deutlich einfacher zugänglich gemacht werden. Ein schönes Beispiel ist die Landsgemeinde in Appenzell, wo jeweils jemand in Gebärdensprache dolmetscht. 

Viele Menschen sind zwar Teil der Glarner Bevölkerung, haben aber noch immer kein Stimm- und Wahlrecht. Ungefähr ein Viertel schon alleine aufgrund des fehlenden Schweizer Passes – egal wie lange die Leute schon im Kanton leben und hier ihre Steuern zahlen. Die Kantone Jura und Neuenburg trauen sich diesbezüglich deutlich mehr Demokratie: Beide haben bereits das aktive Stimm- und Wahlrecht für Menschen ohne Schweizer Pass eingeführt. 

Wir ermöglichen – gerade auch jungen Menschen – sehr umfassende politische Rechte; und gleichzeitig aber gibt es noch ganz viel zu tun. Genau deshalb lohnt es sich, im Glarnerland politisch aktiv zu sein. Wagen wir uns mehr: Mehr Demokratie. Mehr Zugänglichkeit. Mehr Repräsentanz.