Kolumne «Südostschweiz», 21. Februar 2025, von Regula N. Keller, Landrätin und Präsidentin der GRÜNEN des Kantons Glarus

Eines der ersten Glarner Worte, das ich bei meiner Ankunft im Kanton Glarus vor gut 20 Jahren gelernt habe, war «Schamauchin». Zugegeben mit einem scherzhaften Unterton, aber dennoch: Die Zugezogene, in gewisser Hinsicht die Fremde.

Aufgewachsen in Domat/Ems (notabene auch dort keine wirklich Einheimische, da meine Eltern aus dem Unterland der Arbeit wegen nach Ems zogen und dort für viele anfänglich die falsche Konfession und die falsche Sprache hatten, da sie kein Romanisch sprachen), besuchte ich in Chur die Kantonsschule. Meine beste Freundin an der Kanti kam aus Bonaduz; auch ihre Eltern Zugewanderte. Nach dem Studium fanden wir uns beide in Chur wohnhaft. Wir teilten also einige Gemeinsamkeiten.

Allerdings gab es einen grossen Unterschied: Durfte ich unmittelbar nach meinem Zuzug nach Chur stimmen und wählen, war ihr dieses Recht versagt. Sie hatte und hat keinen Schweizer Pass.

Meine Freundin wohnt noch immer in Chur – und vielleicht darf sie dort bald wählen und stimmen: In Chur steht die Einführung des Ausländer*innenstimmrechts zur Diskussion. Würde meine Freundin nach Bonaduz zurückkehren, hätte sie diese Rechte schon heute: Bonaduz gehört zu den 34 Bündner Gemeinden, die in den letzten Jahren auf Gemeindeebene das Stimm- und Wahlrecht für Einwohner*innen  ohne Schweizer Bürgerrecht eingeführt haben. Domat/Ems hingegen hat vor knapp zwei Wochen darüber abgestimmt – und abgelehnt. 

Auf drei starke Gemeinden – und ein Gemeindegesetz, das mutig und vorausschauend für die kommenden 20 Jahre Möglichkeiten für Innovation und Veränderung schafft.
Regula N. Keller, Landrätin und Präsidentin Grüne Kanton Glarus

Nicht nur Graubünden kennt die Möglichkeit, auf kommunaler Ebene das Stimm- und Wahlrecht für Ausländer*innen, in der Regel mit der Niederlassungsbewilligung C, einzuführen. Und in anderen Kantonen wird die Diskussion darüber geführt, so auch im Kanton Glarus.

Im Gemeindegesetz schlägt der Regierungsrat vor, die Möglichkeit zur Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Ausländer*innen auf Gemeindeebene einzuführen. Ich betone bewusst das Wort Möglichkeit: Es geht noch nicht um die Einführung, sondern nur darum, die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Gemeinden überhaupt die Diskussion darüber führen dürften. So wie es Bonaduz, Domat/Ems und Chur gemacht haben resp. planen.

Vor gut einer Woche diskutierte der Glarner Landrat intensiv das Gemeindegesetz, darunter auch den Passus mit dem kommunalen Stimmrecht für Menschen ohne Schweizer Pass, die 10 Jahre im Kanton und drei Jahre in der Gemeinde leben. Eine knappe Mehrheit hat diesen Artikel gestrichen. Unter anderem mit Argumenten, die mich sehr stark an den Widerstand gegenüber dem Frauenstimmrecht erinnert haben. Und natürlich, ja, man kann und darf zu diesem Thema verschiedene Ansichten haben. Aber wenn es um die Einführung des Stimm- und Wahlrechts auf Gemeindeebene geht, sollten doch eigentlich die Gemeinden das letzte Wort haben. 

Ich bin gespannt auf die Diskussion zum Gemeindegesetz an der Landsgemeinde und hoffe natürlich auf einen Entscheid, der den Gemeinden die Autonomie gibt, über diese Frage zu raten, zu mehren und zu mindern. Auf drei starke Gemeinden – und ein Gemeindegesetz, das mutig und vorausschauend für die kommenden 20 Jahre Möglichkeiten für Innovation und Veränderung schafft.

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